hotToolKIT – Baukastensystem für Bohrlochsonden

hotToolKIT ist eine Systemplattform für die Technologieentwicklung, die Herstellung und den Betrieb von Bohrlochsonden. Die plattformbasierte Werkzeug- und Technologieentwicklung wird strukturiert durch die Anwendung eines sich wiederholenden modularen Aufbaus. Die Entwicklungskosten und das Fehlerrisiko werden dadurch deutlich minimiert.

Die modular aufgebauten Sonden bestehen aus sog. Universalmodulen und aufgabenspezifischen Applikationsmodulen. Zu den Universalmodulen zählen alle Komponenten wie z. B. ein Gehäuse und eine Dämmung, was jeder Typ von Sonde benötigt. Je nach Sondentyp erfüllt dann das Applikationsmodul, bestehend aus Aktoren und Sensoren, die spezifische Funktion. Bei einer Kamerasonde besteht das Applikationsmodul aus der Kameraeinheit. Mit speziellen elektromechanischen Kupplungen können die einzelnen Module verbunden und kombiniert werden.

 

Technologieentwicklung von Komponenten und Lösungen in der Struktur einer Systemplattform für den Aufbau von Applikations- und Universalmodulen sowie generellen Hochtemperaturanwendungen. Diese Modulkombinationen ergeben aufgabenspezifische Bohrlochwerkzeuge für einen Einsatz in der Tiefengeothermie und in Tiefbohrungen (Quelle: Benedict Holbein)
 
Technologieentwicklung am KIT als Grundlage für den Bau von Bohrlochwerkzeugen

Die entwickelten Sonden aus der hotToolKIT-Plattform werden in Umgebungen mit bis zu 200 °C und 600 bar eingesetzt und dienen zur Qualitätssicherung, Reparatur und Erkundung von Tiefbohrungen einschließlich dem open-hole. Zu den Aufgaben zählen hochauflösende Messungen, Datenaufzeichnungen, Überwachungen, Beprobungen, Inspektionen, Reparaturen und Instandhaltungen von Tiefenbohrungen. In einer systematischen Betrachtung der obigen Aufgaben verfügen die Werkzeuge über folgende Grundfunktionen: Wärmemanagement, Energieversorgung, Daten- und Steuerungsübertragung, physikalische Belastungen der Komponenten, Aktorik und Sensorik. Diese Grundfunktionen wurden am Karlsruher Institut für Technologie entwickelt und für den Einsatz in Bohrlochwerkzeugen optimiert. Die obige Technologieentwicklung dient als Grundlage für die Produktentwicklung eigener Bohrlochwerkzeuge wie der Videoinspektionssonde inliCAM (insitu live camera) und dem Probennehmer inliSAMP (insitu live sampler), sowie der Veröffentlichung von Know-how für zukünftige interdisziplinäre Entwicklungen von Werkzeugen und Maschinen im Bereich Hochtemperaturanwendungen, Dewar-Technologien und Fertigungstechnik zu Nickelbasislegierungen und Metall-Keramik-Lötverbindungen.

Die hotToolKIT-Plattform ist die Neubenennung des Baukastensystems ZWERG sowie die beiden Bohrlochsonden inliCAM (Arbeitstitel GeoKAM) und inliSAMP (Arbeitstitel WASAM). Die Technologien und Lösungen für den Konzeption, den Bau und den Betrieb von Bohrlochwerkzeugen und Hochtemperaturanwendungen, entwickelt am Institut für Automation und angewandte Informatik, werden nachfolgend kurz vorgestellt:

Die Kommunikation zwischen der Servicetechnikerin bzw. dem -techniker übertage und der Sonde in der Tiefenbohrung erfolgt über ein Kabel, das sogenannte Wireline, mit bis zu 4,5 km Länge. Mit einer Datenübertragung (up-Kanal) von bis zu 6,5 mBit/s werden z. B. hochqualitative Live-Aufnahmen durch die Kamerasonde erzielt. Die Steuerung der Sonde durch die Servicetechnikerin bzw. den -techniker über das Wireline (down-Kanal) ist für unterschiedliche Kabeltypen und -längen ausgelegt. Für die Übertragungssicherheit sorgen Korrekturverfahren (Reed Solomon) und implementierte Protokolle.

Als Basis eines Embedded Systems für Betriebstemperaturen von bis zu 200 °C wird zur universellen Auslegung/Anwendung ein FPGA mit der softcore-CPU „Leon3“ und dem Echtzeit-System RTEMS verwendet. Dieses System-on-Chip bildet die Steuerungseinheit der Bohrlochsonde. Modulator und Demodulator des up- und des down-Kanals sowie die IO-Schnittstellen sind als IPcore je nach Aufgabe integriert. In der Sonde und als Koppler zum Ethernet des Operator-PCs wird je ein High Temperature Embedded System (HiTES) Modul mit entsprechender Perpherieelektronik verwendet.

Die Energieversorgung von Bohrlochwerkzeugen erfolgt je nach Bedarf und Kabelwiderstand mit Gleichstrom (bis zu 500 V DC). Mit DC/DC-Wandlern in der Sonde werden entsprechende Spannungen in der Sonde eingestellt und je nach Aufgabe hohe Leistungen z. B. für das Kühlen der Kamerasensoren oder die Temperierung des Thermalwassers im Probennehmer bereitgestellt. Höhere Leistungen als von der Wireline zur Verfügung gestellt, werden durch eine auf Supercaps basierende Schaltung kurzzeitig bereitstellt.

Die extremen Umgebungsbedingungen in einer tiefen Geothermiebohrung erfordern den Einsatz von hochleistungsfähigen Gehäusewerkstoffen. Das Sondengehäuse schützt die innenliegenden Komponenten vor hohem Umgebungsdruck, Stößen, Reibung und dem korrosiven Thermalwasser. In der Praxis hat sich dafür die Nickelbasis-Superlegierung Inconel® 718 bewährt. Im Bereich der Kamera werden bevorzugt Transparentwerkstoffe wie Saphir oder Magnesiumspinell verwendet. So wird z. B. bei der inliCAM die Transparentkeramik Perlucor® eingesetzt. Beide Werkstoffe, Inconel® 718 und Perlucor®, führen durch ihre besonderen thermomechanischen Werkstoffeigenschaften zu einer relativ dünnen Wandstärke des Sondengehäuses. Folglich steht im Inneren der Sonde mehr Bauraum für die Dämmung, Aktoren und Sensoren zur Verfügung.

Der Einsatz von Transparentwerkstoffen wie Saphir und Magnesiumspinell ermöglichen den Einsatz von optischen Sensoren zur Durchführung einer Inspektionsaufgabe unter widrigsten Umgebungsbedingungen. Ein entsprechendes Sondengehäuse besteht demnach aus einem Metall-Keramik-Verbund, der sehr schwierig technisch umzusetzen ist. Die unterschiedlichen thermophysikalischen Eigenschaften der artunterschiedlichen Werkstoffe Metall und Keramik verbieten einen direkten Verbund beider, sodass aufwendige Fertigungstechnologien wie z. B. das Aktivlöten verwendet werden müssen. Die Systemplattform liefert hier wichtiges Know-how sowie Fertigungstechnik zur Herstellung eines solchen Hochleistungsverbundes.

Der modulare Aufbau der Systemplattform hotToolKIT führt zu einem hohen Flexibilisierungsgrad. Je nach Bedarf können Sonden konfiguriert und eingesetzt werden. Die einzelnen Module (Universal- und Applikationsmodule) müssen dazu mechanisch und elektrisch koppelbar sein. Dies erfordert eine standardisierte Kupplung, die mehrere Anforderungen gleichzeitig erfüllt. Zum einen muss eine Kupplung die Gehäuse zweier Module druckdicht miteinander verbinden, zum anderen muss eine elektrische und datentechnische Verbindung realisiert werden. Damit der Wärmeeintrag aus der Geothermiebohrung ins Sondeninnere auf ein Minimum reduziert werden kann, muss die Sondendämmung auch im Bereich der Kupplung eingesetzt werden.

Die Sonden der Systemplattform hotToolKIT sind für hohe Umgebungstemperaturen bis zu 200 °C ausgelegt. Die innenliegenden Sensoren und Aktoren können jedoch nur bedingt diesen Temperaturen ausgesetzt werden. Zum Stand 2021 gibt es z. B. keine Kamerachips, die Aufnahmen bei über 125 °C gewährleisten. Demnach müssen die temperatursensitiven Komponenten bestmöglich vor der Außenwärme geschützt werden. Dies erfolgt zum einem über eine Klimatisierung und zum anderen über eine Sondendämmung. Bei den hotToolKIT-Sonden befindet sich die Dämmung innerhalb des Sondengehäuses, sodass die darin befindlichen Komponenten durch das Gehäuse vor Druck und Stößen und durch die Dämmung vor dem Wärmeeintrag geschützt sind. Für die Systemplattform eignen sich Dewargefäße besonders gut. Diese erlauben eine relativ hohe Dämmwirkung bei gleichzeitig dünner Wandung und sind zudem temperaturstabil. Für die unterschiedlichen Anwendungen stellt die Plattform Stahl- und Glasdewars bereit.

Die Einsatzdauer einer Sonde hängt stark mit der Verwendung zusammen. Eine Kamerasonde wird in der Regel innerhalb eines Arbeitstages eingesetzt, wobei eine Loggingsonde mehrere Monate im Einsatz sein kann. Entsprechend des Sondeneinsatzes kommen folglich unterschiedliche Kühlsysteme in Betracht. Bei kurzen Betriebszeiten genügt eine Passivkühlung auf Basis eines Phasenwechselmaterials wie Wasser und bei längeren Einsatzzeiten eine Aktivkühlung, bestehend aus einem Kühlaggregat. Für beide Anwendungen stellt hotToolKIT Lösungen bereit.

Die Aufgaben von Bohrlochsonden in einer Geothermiebohrung sind vielfältig. Neben der optischen Inspektion oder dem Loggen von wertvollen Daten, fallen auch „schwere“ Arbeiten wie das Reparieren von Casings, Entnehmen von Proben oder das Fortbewegen der Sonden in der Horizontalen an. Für diese Arbeiten ist das hotToolKIT mit einem Hydraulikaggregat ausgestattet. Das Aggregat ist für Betriebstemperaturen von bis zu 200 °C und für kleine Bauräume von min. Ø 78 mm entwickelt worden. Mit Hydraulikventilen und -pumpen sowie einem Elektromotor mit entsprechender Regelung, können z. B. Thermalwasserproben entnommen werden.

Über das Thermalwasser einer Geothermiebohrung erhalten Geologen oder Kraftwerksbetreiber wichtige Informationen. Die Qualität der Messergebnisse hängt dabei vom Zustand der Thermalwasserprobe ab. Ändert sich bei der Entnahme der Druck und/oder die Temperatur der Probe und entspricht folglich nicht mehr dem Ursprungszustand, gehen wichtige Informationen verloren, die nicht mehr reproduziert werden können. Aus diesem Grund wurde bei der Entwicklung des Probennehmers inliSAMP auf eine In-situ-Probennahme geachtet, d. h. der Druck und die Temperatur werden bis zur Laboruntersuchung übertage konstant auf dem Entnahmelevel gehalten.

 

Komponenten und Prinzipdarstellungen Systemplattform hotToolKIT

Hochtemperaturhydraulikaggregat mit ØAD=78 mm, p= 350 bar, 4/3 Wegeventilen,
DC-Motor aufgebaut auf einem Sondengehäuseverbinder (Foto: David Heitz)

Platinen werden im Stahldewar gestapelt (Foto: David Heitz)

Platinen: Übertragungs-, Steuerung- und Versorgungselektronik (Foto: David Heitz)

Anforderungen an die integrierte Produktentwicklung der Systemplattform hotToolKIT (Quelle: Benedict Holbein)

Anordnung und Dimensionen der Untertagewerkzeug-Kältemaschine (Quelle: Benedict Holbein)

HiTES-Platine mit Spartan6-FPGA und Peripheriebausteinen (Quelle: Stefan Dietze)

Aufbau des Kondensator-Blocks für eine direkte Energieversorgung (Quelle: Cedric Kahl)


Weitere Informationen über die Technologien und den Stand der Entwicklung sind in den jeweiligen Veröffentlichungen nachzulesen oder nehmen Sie Kontakt zu den Forschenden auf.